Sonja Fuhrmann:
Ja, der Begriff KI ist ja in aller Munde. Joubin, ist das nicht ein Marketing-Gag, um einfache technologische Algorithmen teuer zu verkaufen?
Joubin Rahimi:
Oh, das tut mir weh. Das tut mir ganz doll weh. Also es ist kein Marketing-Gag, sondern aus meiner Sicht so was wie der Buchdruck im Zuge der Innovationen von Gesellschaften. Also das verändert grundlegend unsere Welt.
Sonja Fuhrmann:
Nenne mal ein Beispiel.
Joubin Rahimi:
Ich hole sogar noch länger aus. Mit dem Buchdruck von Gutenberg hat sich ja total viel verändert. Vorher war ja das Thema Wissen, Wem alles vorbehalten? Überlegt mal: Dem Adligen und der Kirche. Und dann mit dem Buchdruck war auf einmal das Wissen vielen, vielen Menschen zugänglich. Und das war die Grundlage von Demokratie, auch durch die Demokratie von Schule, der Industrialisierung. All das, was wir jetzt haben, haben wir de facto dem Buchdruck zu verdanken. Ich hole wirklich lange aus. Der zweite Punkt ist: Ich gehe nicht auf die Industrialisierung ein. Ich springe jetzt quasi ins Jahr 2007. Mit dem Internet, und zwar Internetkombination mit dem Smartphone und Social Media, hat sich unser Kaufverhalten wieder verändert, weil wir auf einmal Informationen weltweit verteilen können. Also jeder kann ja mit einem Post die Welt, so wie wir es ja auch hoffen, zu erreichen, diese Welt erreichen. Aber auch beispielsweise Produktbewertung haben auf einmal ganz anderen Zulauf bekommen und Märkte haben sich verändert und Themen. Und mit KI passiert genau das Gleiche, weil wir auf einmal Konzepte, die Erstellung von Themen viel, viel einfacher machen können. Und es ist nicht mehr den Menschen vorbehalten, die viel Geld haben oder eine Firma haben, die sagen, okay, ich stelle jemanden ein, um was zu tun, sondern ich habe auf einmal eine KI, die das tut.
Sonja Fuhrmann:
Jetzt sind mit KI natürlich auch viele Ängste verbunden, muss man sagen. Ist denn KI in dem Zusammenhang wirklich intelligent oder manipuliert sie mich zu Impulskäufen?
Joubin Rahimi:
Also das sind erst mal Fangfragen. Es sind zwei Fragen auf einmal aus meiner Sicht: KI ist nicht intelligent. Intelligenz im Sinne von etwas zu generieren und so weiter, das ist es nicht, sondern wir bringen der KI ja Themen bei, wie es wieder repetiert, und das einfach in immens hoher Geschwindigkeit. Der Vorteil ist, da ich ganz, ganz viel Wissen in ein System packe, das dann halt, so wie es trainiert, dann Antworten gibt, man sehr schnell, auch mit neuem Wissen, Menschen unterstützen kann, Sachen zu machen, aber es ist nicht intelligent im Sinne von, etwas Neues zu generieren. Ist es manipulativ? Wie immer bei Technologie, so wie du es einsetzt.
Sonja Fuhrmann:
Aber führt das nicht zu einer Entmenschlichung im E-Commerce, schlussendlich?
Joubin Rahimi:
Du meinst im Endeffekt, dass wir Menschen dann nichts mehr wert sind, oder? Dass wir gar nicht mehr eigene Entscheidungen treffen, sondern wirklich manipuliert gesteuert werden.
Sonja Fuhrmann:
Ja.
Joubin Rahimi:
Ganz sicher geben die KIs, die es dann gibt, wenn man sie nutzt, Sachen vor. Das erkennen wir jetzt ja schon bei Google. Wenn du bei Google nicht bei den ersten drei Suchergebnissen bist, bist du sehr wahrscheinlich nicht im Relevant Set von ganz, ganz vielen. Das heißt, KI wird natürlich auch die Hyperkonzentration fördern. Wird es das Entmenschlichen? Ich glaube nicht, weil die Fragestellungen können ja so vielfältig und mannächtfältig sein, dass kleinere Firmen durch die geschickte Positionierung in einer Nische dann auf einmal relevant sind für diese Frage. Das heißt, es kommen wieder auch neue Möglichkeiten dazu. Und noch mal ein ganz anderer Blickwinkel: Viele Vorstandsvorsitzungen, Vorsitzende – ich weiß gar nicht, wie man es richtig gendert, muss ich sagen – Vorständer und Vorständinnen. Diese haben ja häufig persönliche Assistenten. Und diese Personen erarbeiten ja auch etwas beziehungsweise generieren etwas, filtern Sachen raus. Sie verschaffen Zeit und die KI wird uns Menschen auch wieder Zeit verschaffen in bestimmten Themen. Und insofern ist es eine Entmenschlichung vielleicht, aber ich habe auf der anderen Seite jemanden, der mir hilft, meine Zeit anders zu nutzen. Und ich glaube, das ist dann wieder ein ganz großer Gewinn.
Sonja Fuhrmann:
Du hast eben die KI mit der Erfindung des Buchdrucks gleichgesetzt. Fakt ist, die KI wird unsere Welt drastisch verändern.
Es werden Arbeitsplätze wegfallen durch KI. Ist das ethisch vertretbar?
Joubin Rahimi:
Erst mal zum rein Faktischen: Ja, es werden Arbeitsplätze wegfallen, aber es wird auch neue geben. Und das ist die Veränderung, die wir ja haben. Gerade in den gesamten technologischen Fortschritt, den wir sehen, wird es bestimmte Jobs so nicht mehr geben und neue wird es geben. Einfaches Beispiel: Wir haben in der Buchhaltung, wir sind da 1300 Mitarbeiter, wir haben in der Buchhaltung in der Zentrale sicherlich 14, 15 Personen beschäftigt. Eine Aufgabe davon ist, Belege zu sortieren, einzuscannen und Co. Wir haben jetzt Tools eingeführt, wo die Mitarbeiter Belege fotografieren können und gleichzeitig diese gelesen werden und schon mal fortkategorisiert. Super Zeitersparnis. Ja. Ja, dadurch brauchen wir zukünftig weniger Buchhalter, die das Ganze tun. Ist aber auch ein Job, wo ich sage, die Buchhalter können viel höherwertigere Jobs machen, das richtig zu verbuchen, Kontrollen einzuführen und das wird sich neu ergeben. Und ich sage mal, mit dem Profil, ich nehme mal ein Beispiel des Buchhalters, kann ich ja auch ganz andere Tätigkeit machen, die jetzt mit der Finanzbranche in der Form nichts zu tun haben und dort halt Mehrwerte stiften, anstatt Steuerrechte zu befolgen.
Sonja Fuhrmann:
Also du siehst auch die Chancen. Viele sehen aber auch die Risiken, nämlich dass KI zu intelligent wird und irgendwann die Kontrolle im E-Commerce übernimmt. Wie siehst du das?
Joubin Rahimi:
Das ist ja eine Fragestellung, wo die Deutschen, wenn ihr Statistiken anguckt, immer auf dem ersten Platz sind, was Angst angeht. Und es gibt natürlich, wo Licht ist, ist immer Schatten. Keine Frage. Meine Mission ist aber, das Licht zu zeigen. Ich formuliere es mal so platt. Die KI, und da bin ich der felsenfesten Überzeugung, wird nicht uns Menschen, wie in einem Science-Fiction-Film, übernehmen. Und wir sind die Sklaven der KI. Das wird nicht passieren. Diese Gedanken hatten wir auch schon mit der Dampfmaschine, wo man gesagt hat, wenn man zu schnell fährt, dann wird man, glaube ich, böse. Oder der Buchdruck, noch mal darauf zu gehen, der führt dazu, dass Romane die Menschen so verändern, dass man nicht mehr weiß, wohin man steuert, dass wir alle verblöden. Diese Ängste sind, glaube ich, nicht wirklich real und werden geschürt durch diejenigen, die andere Ziele haben, und zwar durch Innovation und Technik, nach vorne zu kommen.
Sonja Fuhrmann:
Also du hast das Unternehmer-Mindset, du siehst die Chancen. Was rätst du anderen Unternehmerinnen und Unternehmern in puncto KI?
Joubin Rahimi:
Ratet mal, seht die Chancen.
Sonja Fuhrmann:
Warum?
Joubin Rahimi:
Ich glaube, wir müssen wegkommen aus der deutschen Blase. Wir haben ja auch jetzt in Europa das entsprechende KI-Gesetz, das so langsam Richtung Rad geht. Wir sind global aufgestellt. Wir Menschen, wir können ja alles von der Welt irgendwie auch nutzen. Und wir in Europa, uns geht es noch ganz gut. Wenn ich jetzt aber noch mal weiter gucke nach Asien oder auch Afrika, ist es so, dass all diese Länder eine wirkliche Veränderung ihrer Lebensweisen haben durch Lernen und durch Innovation. Dadurch sind sie viel, viel hungriger, darauf, neue Sachen zu erschaffen und auszuprobieren. Wir haben ja die glückliche Situation, dass wir eigentlich seit Jahrhunderten es extremst gut haben, mit unseren knapp 350 Millionen Einwohner in Europa. Wenn ich aber gucke, dass wir in Deutschland eigentlich so groß sind wie die vier größten Städten in Indien, zeigt es vielleicht auch so ein bisschen, wie viele Menschen wir sind. Und wenn man dann guckt, dass Afrika eher so Richtung eineinhalb Milliarden Einwohner zukünftig gehen wird – und ich komme auch gleich zum Punkt, warum ich das alles erzähle –, ist es so, dass ganz, ganz viel in diesem Zuge passiert mit KI. Und wir innerhalb von Europa sollten offen sein, diese Themen mitzunehmen. Ich sage mal, in der glücklichen Lage, wie wir sind, die sicher und auch auf vernünftiger Basis dann halt den Nutzern zur Verfügung zu stellen und nachhaltiger Basis. Das kann der wirkliche Mehrwert auf der Welt sein. Aber ist natürlich etwas, was von euch allen Mindset erfordert. Ich gehe in das Risiko in einer Zeit, wo es einem wirklich gut geht.
Sonja Fuhrmann:
Ist das überhaupt machbar, für kleinere Unternehmen da mitzugehen?
Joubin Rahimi:
Die Frage ist, was sie machen. Wenn sie einfach sagen: Ich möchte ganz viele große Sachen jetzt auf meinem Webshop einbauen – wir kommen ja von der E-Commerce-Thematik –, werden Sie es sehr wahrscheinlich nicht tun, außer sie können mega skalieren. Jetzt mal einen Blick noch mal nach vorne. Also wenn ich überlege, wie wird sich der E-Commerce verändern. Und da gab es auch einen richtig schönen Talk, den ich mit dem Sören Stammer hatte, Mitgründer oder Gründer von CoreMedia und Geschäftsführer dort. Wir kamen in der Diskussion darauf, dass wir jeder irgendwann einen digitalen Assistenten haben. Und ich glaube, dahin wird es gehen, also dass jeder von uns den digitalen Assistenten hat und es digitale Assistenten auf der Seite gibt, die einen durchnavigieren, durch das, was man möchte.
Sonja Fuhrmann:
Vielen Dank für deine Vision, das Gespräch, Joubin, und danke euch für eure Aufmerksamkeit.
Joubin Rahimi:
Danke dir. Und wenn ihr Fragen habt, Anmerkungen, es komplett anders seht oder einfach da noch mal Beispiele habt, total gerne, weil ich glaube, wir müssen uns austauschen und daher sind wir gespannt auf eure Eindrücke, Impulse und Ideen. Einfach unten in die Kommentare rein oder gerne auch, wenn es nicht direkt die gesamte Welt sehen soll, als Direct Message.