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Barrierefreiheit richtig umsetzen


In einer zunehmend digitalisierten Welt ist die Gewährleistung von Barrierefreiheit im Web von entscheidender Bedeutung. Barrierefreiheit ist eine Grundvoraussetzung für Inklusion und Chancengleichheit. Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Bedürfnissen sollten uneingeschränkten Zugang zum Internet haben, ohne auf Hürden zu stoßen, die sie ausschließen oder benachteiligen. Die Umsetzung von Barrierefreiheit im Web ist daher eine zentrale Aufgabe für Unternehmen und Organisationen, um sicherzustellen, dass ihre Inhalte und Dienstleistungen für alle zugänglich sind. In diesem Artikel werden die Bedeutung der Barrierefreiheit, ihre Vorteile, die grundlegenden Prinzipien und vor allem, wie man diese am besten umsetzt, erläutert.

Warum ist Barrierefreiheit wichtig?

Das Internet sollte ein Raum sein, in dem jeder gleichberechtigten Zugang zu Informationen und Möglichkeiten hat. Indem wir Websites zugänglich machen, stellen wir sicher, dass Menschen mit Behinderungen vollständig an der Gesellschaft teilhaben können, sei es durch den Zugang zu wichtigen Informationen, die Nutzung von Online-Diensten oder die Teilnahme am E-Commerce. Barrierefreies Design führt oft zu einer besseren allgemeinen Benutzererfahrung. Merkmale wie klare Navigation, beschreibende Überschriften und leicht lesbare Texte kommen allen Nutzern zugute, nicht nur denen mit Behinderungen. Durch die Barrierefreiheit von Websites können Unternehmen eine größere Zielgruppe erreichen. Dies umfasst nicht nur Menschen mit Behinderungen, sondern auch ältere Personen, Menschen mit temporären Beeinträchtigungen und solche, die unterschiedliche Geräte und Plattformen nutzen. Viele Barrierefreiheitspraktiken, wie die Verwendung korrekter Überschriften und Alt-Text für Bilder, verbessern auch die Suchmaschinenoptimierung (SEO). Dies kann zu besseren Suchmaschinenrankings und erhöhter Sichtbarkeit führen.

Neben diesen Aspekten ist ein barrierefreier Zugang nicht nur seit dem Jahr 2002 für öffentliche Stellen des Bundes gesetzlich vorgeschrieben. Auch im Hinblick auf das kommende Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), das ab Mitte 2025 in Kraft tritt. Das BFSG verpflichtet Unternehmen, ihre digitalen Angebote barrierefrei zu gestalten. Das bedeutet, dass Websites, mobile Anwendungen und andere digitale Inhalte diesen Anforderungen entsprechen müssen.
 

Wichtige Komponenten und Prinzipien eines barrierefreien Applikationsdesigns


Kenntnis vorhandener Standards und Richtlinien

Es gibt eine Vielzahl an Standards und Gesetzen auf internationaler und nationaler Ebene, die die Barrierefreiheit im IT-Bereich regeln. Im Folgenden sind einige der wichtigsten aufgeführt:

  • Internationale Standards - Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 
    Die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) sind international anerkannte Richtlinien des World Wide Web Consortium (W3C) zur Barrierefreiheit von Webinhalten. Sie existieren in verschiedenen Versionen, wobei WCAG 2.0 und WCAG 2.1 die derzeit empfohlenen Versionen sind.
     
  • Europäische Union - Richtlinie 2016/2102/EU 
    Diese Richtlinie der Europäischen Union definiert Standards für die Barrierefreiheit von Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen. Die EU-Mitgliedstaaten sind verpflichtet, sicherzustellen, dass die von ihnen betriebenen Websites und mobilen Anwendungen die Anforderungen dieser Richtlinie erfüllen.
     
  • Deutschland - Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) 
    Die BITV 2.0 ist eine deutsche Verordnung, die die Umsetzung der EU-Richtlinie 2016/2102/EU in Deutschland regelt. Sie enthält detaillierte Anforderungen an die Barrierefreiheit von Webseiten und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen.

Semantisches HTML

Ein wesentlicher Aspekt der Barrierefreiheit im Web ist die Verwendung von semantischem HTML. Semantisches HTML bedeutet, dass man HTML-Elemente gemäß ihrer Bedeutung und Funktion verwendet, anstatt nur für visuelle Gestaltung. Dies erleichtert nicht nur die Verständlichkeit und Wartung des Codes, sondern spielt auch eine entscheidende Rolle bei der Barrierefreiheit.

Die Bedeutung von semantischem HTML zeigt sich insbesondere in der verbesserten Zugänglichkeit für Screenreader, die von blinden oder sehbehinderten Nutzern verwendet werden. Diese Technologien verlassen sich auf semantische HTML-Elemente, um den Inhalt der Seite korrekt zu interpretieren und wiederzugeben. Zum Beispiel erkennen Screenreader das <nav>-Element als Navigationsbereich und das <main>-Element als Hauptinhalt der Seite. Durch die logische Strukturierung des Inhalts mit semantischen HTML-Tags wie <header>, <footer>, <article>, <section> und <aside> wird die Navigation für Nutzer von Hilfstechnologien effizienter, sodass relevante Inhalte schneller gefunden werden können.

Darüber hinaus trägt semantisches HTML zur Verbesserung der Suchmaschinenoptimierung (SEO) bei. Suchmaschinen bewerten Seiten mit gut strukturiertem, semantischem HTML besser, da sie den Inhalt der Seite leichter verstehen und indexieren können. Dies führt zu einer besseren Sichtbarkeit in den Suchergebnissen, was indirekt auch die Zugänglichkeit erhöht, da mehr Nutzer auf die Inhalte zugreifen können.

ARIA-Attribute

ARIA (Accessible Rich Internet Applications) wurde vom World Wide Web Consortium (W3C) entwickelt, um die Zugänglichkeit dynamischer Inhalte und komplexer Benutzeroberflächen zu verbessern. Durch ARIA-Attribute werden zusätzliche Informationen bereitgestellt, die von assistiven Technologien wie Screenreadern genutzt werden. ARIA-Attribute sind entscheidend, um die Zugänglichkeit von Webseiten zu gewährleisten, insbesondere bei dynamischen oder interaktiven Inhalten, die mit einfachem HTML nicht ausreichend beschrieben werden können.

Einige wichtige Aria-Attribute:

  • role: Definiert die Rolle eines Elements (z.B. role="button" für ein interaktives Element)
  • aria-label: Bietet eine beschreibende Textalternative für Elemente ohne sichtbaren Text
  • aria-labelledby: Verweist auf ein anderes Element, das eine beschreibende Textalternative bereitstellt.
  • aria-describedby: Verweist auf ein Element, das zusätzliche Informationen bietet
  • aria-live: Informiert assistive Technologien über dynamische Inhaltaktualisierungen

Best Practice: ARIA-Attribute sollten aber nur dann verwendet werden, wenn semantisches HTML nicht ausreicht. Eine Redundanz sollte auf jeden Fall vermieden werden.

Formulare

Formulare sind ein wesentlicher Bestandteil vieler Websites, sei es zur Registrierung, Kontaktaufnahme, Bestellung oder Informationsabfrage. Für Menschen mit Behinderungen können schlecht gestaltete Formulare jedoch schwer zugänglich sein. Barrierefreie Formulare gewährleisten, dass alle Nutzer, einschließlich derer, die assistive Technologien verwenden, problemlos auf die Inhalte zugreifen und diese ausfüllen können.

  • Beschriftungen und Anweisungen
    Jedes Formularfeld sollte eine klare und verständliche Beschriftung (Label) haben. Diese Beschriftungen müssen mit den entsprechenden Eingabefeldern verknüpft sein, um von Screenreadern korrekt gelesen zu werden. 

    Platzhaltertexte (placeholder) sollten nicht als Ersatz für Labels verwendet werden, da sie oft nicht ausreichend sichtbar sind und von einigen assistiven Technologien möglicherweise nicht korrekt interpretiert werden. Zusatzinformationen oder Hinweise zur Eingabe sollten separat bereitgestellt werden.
     
  • Fehlermeldungen
    Fehlermeldungen sollten klar und präzise formuliert sein und dem Nutzer mitteilen, welches Feld betroffen ist und was korrigiert werden muss. Diese Meldungen sollten in einer Weise angezeigt werden, dass sie von allen Nutzern, einschließlich derer, die Screenreader verwenden, leicht zu erfassen sind.
     
  • Tastaturzugänglichkeit
    Alle Formularelemente sollten vollständig mit der Tastatur bedienbar sein. Dies bedeutet, dass Nutzer durch alle Eingabefelder und Schaltflächen mit der Tabulatortaste navigieren können müssen. Es ist möglich mit dem HTML-Attribut "tabindex" die Reihenfolge, in der interaktive Elemente angesteuert werden, zu ändern. Auf dieses Änderung kann aber in der Praxis meistens verzichtet werden.  Nicht interaktive Elemente sollten keinen tabindex erhalten, um die Tab-Reihenfolge nicht zu beeinträchtigen.
     
  • Visuelles Feedback
    Dieses sollte bereitgestellt werden, wenn ein Formularfeld fokussiert oder ausgefüllt wird. Dies hilft Nutzern zu erkennen, wo sie sich im Formular befinden und ob ihre Eingaben erfolgreich waren.
     
Farben, Kontraste, Textgröße und Skalierbarkeit
  • Farben und Kontraste spielen eine entscheidende Rolle für die Lesbarkeit und Zugänglichkeit von Webinhalten. Menschen mit Sehbehinderungen, Farbsehschwächen oder altersbedingten Seheinschränkungen sind auf ausreichend hohe Kontraste angewiesen, um Inhalte deutlich erkennen zu können. Daher sollten Text und Hintergrundfarben so gewählt werden, dass ein hoher Kontrast besteht. Gelber oder hellgrauer Text auf weißem Hintergrund erfüllt diese Anforderung nicht.
     
  • Die Textgröße sollte so festgelegt werden, dass sie für die meisten Nutzer gut lesbar ist. Eine Mindestgröße von 16 Pixeln wird oft empfohlen. Es sollte ebenfalls darauf geachtet werden, dass Texte skalierbar sind, ohne dass die Lesbarkeit oder das Layout der Seite beeinträchtigt wird. Dies bedeutet, relative Maßeinheiten wie "em" oder "rem" anstelle von festen Pixelwerten (px) zu verwenden.

  • Für die Anpassung an unterschiedliche Geräte und Bildschirme sollten Responsive Design-Techniken eingesetzt werden, um sicherzustellen, dass Inhalte auf verschiedenen Geräten und Bildschirmgrößen gut lesbar und zugänglich sind. Media Queries können verwendet werden, um die Schriftgrößen und das Layout je nach Bildschirmgröße anzupassen. Grundsätzlich empfiehlt sich die Verwendung von CSS-Libaries wie bspw. Tailwind oder Bootstrap, da sie von Haus aus zahlreiche Funktionen und Best Practices für barrierefreies Design bieten. Diese Libraries erleichtern die Umsetzung von barrierefreien Websites erheblich. Bootstrap beinhaltet bspw. vorgefertigte Komponenten, die nach den WCAG-Richtlinien gestaltet sind und somit hohe Kontraste, Tastaturzugänglichkeit und semantische HTML-Strukturen gewährleisten. 

Dokumentation und Tests

Eine gründliche Dokumentation ist entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung und Aufrechterhaltung der Barrierefreiheit auf einer Website. Jedes Teammitglied sollte Zugang zu klaren Richtlinien und Best Practices haben. Eine gut dokumentierte Codebasis hilft Entwicklern, Designer und Tester, die Barrierefreiheit durchgängig zu gewährleisten und zukünftige Änderungen oder Erweiterungen korrekt zu implementieren.

Regelmäßige Tests sind unerlässlich, um sicherzustellen, dass die Website barrierefrei bleibt. Tests sollten in jeder Phase der Entwicklung durchgeführt werden: von der Planung über die Implementierung bis hin zur Wartung.

  • Automatisierte Tests: Diese Tests helfen, grundlegende Barrierefreiheitsprobleme schnell zu identifizieren. Tools wie Axe, Lighthouse, Wave oder Pa11y können in den Entwicklungsprozess integriert werden, um kontinuierliche Überprüfungen durchzuführen.
     
  • Manuelle Tests: Diese ergänzen automatisierte Tests und decken Aspekte ab, die von Maschinen nicht vollständig erfasst werden können. Manuelle Tests beinhalten die Verwendung von Screenreadern, Tastaturnavigation und Zoom-Funktionen, um sicherzustellen, dass die Website für alle Nutzer zugänglich ist.
     
  • Nutzerbeteiligung:Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen in den Testprozess, um echte Nutzungserfahrungen zu sammeln und praktische Barrieren zu identifizieren.


Fazit

Die Gewährleistung von Barrierefreiheit im Web ist entscheidend für Inklusion und Chancengleichheit in einer digitalen Welt. Barrierefreies Design ermöglicht es Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten, uneingeschränkten Zugang zu Informationen und Dienstleistungen zu erhalten. Dies verbessert nicht nur die Benutzererfahrung insgesamt, sondern erhöht auch die Reichweite und Sichtbarkeit von Webinhalten. Essenzielle Aspekte umfassen die Verwendung von semantischem HTML, die Implementierung von ARIA-Attributen, gut gestaltete Formulare sowie hohe Kontraste und anpassbare Textgrößen. Die Einhaltung internationaler Standards und regelmäßige Tests, sowohl automatisiert als auch manuell, stellen sicher, dass die Barrierefreiheit dauerhaft gewährleistet bleibt.

Blogautor

Benjamin Stautner
SoftwareentwicklerARS Computer und Consulting GmbHKontakt
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